Borreliose-Sprechstunde
Zecken können Borrelien übertragen und die Anzahl der damit übertragenen Infektionskrankheiten nimmt von Jahr zu Jahr zu. Neben der weit verbreiteten Borreliose ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) eine weitere, von einem Virus verursachte Infektionskrankheit, die von Zecken übertragen wird.
Impfungen gegen FSME sind auf dem Markt und sehr empfehlenswert für Personen, die möglicherweise mit Zecken in Kontakt kommen, wie z.B. Waldspaziergänger und Jogger. Schwieriger ist es bei der Borreliose, die ebenfalls von Zecken übertragen wird. Etwa 30% der Zecken in der Schweiz sind mit Borrelien befallen! Typischerweise entsteht nach wenigen Tagen ein Hautausschlag, der von innen nach außen wandert und am Rand stärker ausgeprägt ist. Dieser Hautausschlag wird medizinisch als "Erythema migrans" bezeichnet. In diesem Stadium ist die Borreliosebehandlung einfach: Eine vierzehntägige Antibiotikatherapie mit Doxycyclin oder Minocyclin heilt die Erkrankung dauerhaft!
Wenn diese Behandlung jedoch versäumt wird oder der Hautausschlag nicht so auffällig ist, kann Monate oder Jahre später eine chronisch-persistierende Borreliose mit unterschiedlichen Beschwerden auftreten. Die Beschwerden sind therapieresistent und die Diagnose wird oft erst indirekt gestellt.
Die häufigsten Symptome bei der chronischen Borreliose sind:
starke Tagesmüdigkeit und Erschöpfung
springende Gelenk- und Muskelschmerzen
Nackenverspannungen
Kurzzeitgedächtnis- und Konzentrationsstörungen
neu aufgetretene Alkoholunverträglichkeit
Schlafstörungen
Es sind jedoch auch viele andere Beschwerden möglich. Aus diesem Grund wird die Borreliose oft als «Chamäleon der Medizin» bezeichnet. Bei all diesen Beschwerden sollte jedoch zuerst nach anderen Ursachen gesucht werden. Erst bei Therapieresistenz, einer entsprechenden Zeckenexposition und positiven Borrelientitern im Blut kann an eine chronische Borreliose gedacht werden!
Symptomenliste (nach Frau Dr. Petra Hopf-Seidel)
Der Verdacht auf das Vorliegen einer chronisch-persistierenden Borreliose sollte sich immer dann ergeben, wenn über einige (in der Regel mehr als drei) der folgenden Symptome geklagt wird:
Ausgeprägte und lang anhaltende Erschöpfung und Müdigkeit ohne vorherige körperliche Beanspruchung
Starke Schmerzen in verschiedenen Gelenken sowie Nacken- und Rückenschmerzen in wechselnder Lokalisation, die auch ohne spezifische Behandlung wieder verschwinden
Heftige, meist diffuse, aber auch kappen- oder ringförmige Kopfschmerzen, «Haarspitzenkatarrh» mit Schmerzen beim Haarkämmen
Meist einseitige Rachen- und Zungengrundschmerzen
Immer wieder rezidivierende und oft lange nicht ausheilende Nasennebenhöhlen-Infektionen mit Schleimhautschwellungen
Schmerzlose oder schmerzhafte Lymphknotenschwellungen am Hals und Nacken, unter den Achseln und in den Leisten
Muskelschmerzen und Muskelkrämpfe am ganzen Körper ohne vorherige körperliche Beanspruchung
Schmerzen an Sehnen und Bändern: Am häufigsten sind Achillessehnenschmerzen, ein «Tennisarm» oder «Golfarm», ein Carpaltunnelsyndrom, «springende» Finger oder Fußsohlenschmerzen mit morgendlichem Anlaufschmerz
Sehnen(teil)abrisse ohne dafür adäquates Trauma bzw. spontan auftretend
Schienbein- und Fersenbeinschmerzen (vor allem nachts im LIegen)
«Wundschmerzen» der Rippenansätze im Brustbeinbereich und am unteren Rippenbogen, oft verbunden mit dem Gefühl eines verminderten Atemvolumens und eines Druckes auf dem Brustkorb
Brennschmerzen der Haut und/oder Taubheitsgefühle, die diffus am ganzen Körper auftreten oder auf einzelne Hautbereiche beschränkt sind
«Elektrisieren» und/oder Spontanzuckungen der Muskeln verschiedener Körperregionen
Plötzlich einschießende starke Schmerzen in der Muskulatur wie «bei einem Messerstich», die aber in ihrer Lokalisation ständig wechseln
Attackenartiges, vorzugsweise nachts auftretendes Herzrasen ohne jede körperliche Anstrengung
Veränderung eines vorher normotonen Blutdruckes auf hypertone Werte, wobei meist der diastolische Wert über 90 mm Hg ansteigt
Irritationen der Hirnnerven sind häufig. Am häufigsten zeigt sich im Frühstadium der Erkrankung eine Facialisparese, im chronischen Stadium aber können mehrere der 12 Hirnnerven gleichzeitig betroffen sein
Funktionsstörungen der Augen, wie z. B. Augenmuskelschmerzen, leichte Doppelbilder, Lidschwäche, Akkomodationsstörungen, Pupillenstörungen, häufige Augenentzündungen mit Augenbrennen, Trockenheits- sowie Fremdkörpergefühl
Funktionsstörungen der Ohren mit Hörsturz, Tinnitus, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
Störungen des Geruchs und Geschmacks
Bannwarth-Syndrom (nachts betonte, stark brennende und ziehende Schmerzen in meist nur einem Bein oder Arm)
Vegetative Störungen wie gestörtes Temperaturempfinden mit oft ausgeprägtem Frieren, heftige, überwiegend nächtliche Schweißausbrüche, die aber auch tagsüber «schubweise wie im Klimakterium» bei Männern ebenso wie bei Frauen auftreten können oder am Nachmittag auftretende «Glühwangen» ohne Fieber
Sexuelle Funktionsstörungen wie Libidoverlust, Menstruationsstörungen, Erektionsstörungen und Brustdrüsenschmerzen
Urologische Störungen wie Brennschmerzen der Blase und Schmerzen des Hodens ohne Nachweis von Bakterien im Urin, sehr häufiges Wasserlassen, Harninkontinenz, Leistenschmerzen ohne organischen Befund
Gastro-intestinale Beschwerden wie Magenschmerzen, Blähungen, Völlegefühl, Stuhlunregelmäßigkeiten, Appetitverlust, neu auftretende Laktose- oder andere Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Stoffwechselveränderungen wie Übersäuerung, neu auftretende Cholesterinerhöhungen, Alkoholunverträglichkeit
Schilddrüsenfunktionsstörungen (meist Unterfunktion mit TPO-Autoantikörpern, die sog. Hashimoto-Thyreoiditis)
Störung des Serotoninstoffwechsels mit Gereiztheit, Panikattacken, Angstzuständen, latenter Aggressivität, Wutanfällen, ausgeprägten depressiven Stimmungsschwankungen und emotionaler Labilität
Schwerwiegende, lang anhaltende Schlafstörungen, oft mit Albträumen
Besonders bei Kindern zu beobachten: Aufmerksamkeitsstörungen und motorische Unruhe mit der Folge von Lernschwierigkeiten («ADHS»), Gereiztheit, Streitsucht und Aggressivität
Selten: schwere psychische Veränderungen wie Psychosen, Zwangssymptome, manisch-depressive Stimmungsschwankungen, Irritierbarkeit und Aggressivität bis zum Kontrollverlust
Kognitive Störungen wie z. B. Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses, Konzentrationsstörungen, erhöhte Ablenkbarkeit, Aufmerksamkeitsstörungen und Minderung der Lernfähigkeit und Auffassung
In schweren Fällen: Orientierungsstörungen und starken Gedächtniseinbußen wie bei M. Alzheimer. aber auch Wahnvorstellungen und Halluzinationen
Häufige Hautveränderungen sind das Erythema migrans (Wanderröte) und seltener das Lymphocytom
Seltene Hautveränderungen sind die sog. Zigarettenpapierhaut (bei Acrodermatitis chronica atrophicans)
Diffuser Haarausfall (meist bei Frauen) sowie Nagelwachstumsstörungen mit Brüchigkeit und Rillenbildung
Zahlen aus Deutschland belegen, dass dort jährlich ca. 1 Mio. Neuinfektionen festgestellt werden, ca. 2 Mio. Patienten leiden an einer chronischen Borreliose! Statistisch werden von zehn Infizierten einer richtig und dauerhaft krank.
Die Borrelieninfektion beim Menschen wird ausschließlich von weiblichen Zecken und insbesondere von kleinen Zeckennymphen übertragen. Eine chronische Borreliose kann durch die Anamnese und klinische Symptome diagnostiziert werden. Standard-Blutuntersuchungen (IgG und IgM) zeigen lediglich einen vergangenen Kontakt mit Borrelien an, jedoch nicht den aktuellen Aktivitätsgrad. Eine spezielle Blutuntersuchung (Lymphocytentransformationstest/LTT oder Elispot) kann den Aktivitätsgrad nachweisen, jedoch besteht unter Infektionsspezialisten Uneinigkeit über die Nützlichkeit dieses Tests. In meinen Erfahrungen hat er sich jedoch als hilfreich erwiesen, um den individuellen Fall zu beurteilen.
Im Körper bilden Borrelien bald Persisterformen wie Cysten und Biofilme, die das Überleben der Bakterien fördern und sich an allen Organen und Geweben ansiedeln können, insbesondere an Stellen mit geringer Sauerstoffversorgung. Der Krankheitsverlauf hängt von Faktoren wie dem Immunsystem und anderen bereits vorhandenen Belastungen ab, daher muss die Behandlung individuell angepasst werden.
Eine Antibiotikatherapie muss sowohl gegen die Bakterien als auch gegen die Persisterformen wirken. In der Regel werden mindestens zwei verschiedene Antibiotika benötigt. Minocyclin, Tinidazol (Fasigyn) und Hydrochloroquin (Plaquenil) sind die bevorzugten Medikamente bei chronisch-persistierender Borreliose. Die Behandlung dauert mindestens 4 Wochen, aber Patienten müssen oft mehrere Monate lang Medikamente einnehmen. Pflanzliche Mittel wie Samento, Banderol und Dipsacus können die Behandlung unterstützen. Eine LTT-Blutuntersuchung muss durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Therapie erfolgreich war.
Eine vielversprechende neue Behandlungsmethode ist die IHHT (Intervall-Hypoxie-Hyperoxietherapie). Dr. Löffler aus Berlin hat bei über 20 Patienten Symptomfreiheit und negative LTT-Ergebnisse erzielt. Dabei wird ein Hyperoxie-orientiertes Protokoll angewendet. Laut neuerer Literatur haben Borrelien nur eine geringe Fähigkeit, sich vor reaktiven Sauerstoffverbindungen zu schützen, was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum sie sich in Bereichen mit geringem Sauerstoff-Partialdruck zurückziehen.
Den Erfolg dieser IHHT Therapie konnte ich mit dem gleichen Protokoll auch in meiner Praxis bei über 600 Fällen seit 2013 bestätigen. Dabei kombinieren wir die IHHT-Behandlung mit anderen Therapien (z. B. hochdosierte Vitamin C Infusionen). Die Erfolge sprechen für sich. Für mich ist darum die IHHT als Behandlung der chronischen Borreliose absolut erste Wahl.